Und dann war da dieses Känguru. Es war nicht sehr groß, reichte mir gerade mal bis zum Knie. Doch es weinte, und weinende Kängurus sind ein Anblick, der einem das Herz brechen kann.
„Was ist denn los?“, fragte ich vorsichtig, als ich mich ihm näherte.
Das Känguru schniefte laut und sah zu mir auf.
„Mein Beutel“, sagte es, und riesige Kängurutränen kullerten aus seinen Äuglein. „Ich habe meinen Beutel verloren.“
„Ist das so schlimm?“, fragte ich naiv, denn ich kannte mich mit der Schlimmheit von Kängurubeutelverlusten nicht so sein.
Das Känguru nickte und schniefte erneut.
„Es war mein Lieblingsbeutel.“, sagte es und ergänzte. „Außerdem saß mein Sohn Peter darin.“
„Mhh.“, antworte ich und überlegte.
„Mit deinem Sohn kann ich dir leider nicht helfen, aber ich schenke dir diesen Beutel.“
Ich kramte aus meinem Rucksack den hellblauen Beutel, den ich schon seit geraumer Zeit unbenutzt mit mir herumtrug, und reichte ihn dem Känguru, das noch immer weinte.
„Danke.“, sagte es, und es war kaum mehr als ein Flüstern.
„Aber… aber der bewegt sich ja!“, rief es dann.
Und tatsächlich: Der Beutel zuckte und zapptelte, als ob er ein Eigenleben hätte. Nur wenige Augenblicke später schaute auch schon ein winziges Känguruköpfchen zwischen den Henkeln hervor.
„Peter!“, rief das Känguru.
„Mami!“, rief Peter, und die beiden hüpften vergnügt von dannen.
Ich blieb zurück und nahm mir vor, zu Hause alle meine Baumwollbeutel auf potentielle Känguruinhalte zu prüfen.
2 Gedanken zu „Begegnungen 20: Känguru“
Kommentare sind geschlossen.
Bis zu welchem Knie ging Ihnen das Känguru? Sie müssen die Frage nicht beantworten. Aber dann haue ich Ihnen am 22.5. in Tübingen auf die Schnauze.
REPLY:
Ich kann so viel verraten: Die Höhe des Kängurus übertraf die eines handelsüblichen Känguruknies.