Der folgende Text passt stilistisch in die Rubrik „Morning Pages“, formal allerdings nicht. Trotzdem.
Die Welt war blau und lachte.
Natürlich war die Welt nicht wirklich blau, doch ein kurzer Besuch in einem der unzähligen Souvenirläden hatte die Welt verändert. Felix grinste. Die Welt verändert. Wie das klang. Dabei hatte er sich nur eine Sonnenbrille besorgt. Eine billige Sonnenbrille mit blauen Gläsern. Weder sonderlich hübsch noch sonderlich nutzvoll. Und doch…
Felix lachte. Wenn Felix lachte, hatte es für ihn stets den Anschein, als hielte die Welt kurz inne. Als lachte sie mit ihm.
Die Welt war blau und lachte.
Felix stieg auf sein rostiges Damenrad und fuhr die Strandpromenade entlang. Es war Zeit gewesen, dachte er, während er durch blaue Gläser auf das blaue Meer blickte, den klaren, blauen Himmel betrachtete, während er sich zwischen den herumschlendernden Menschen hindurchschlängelte, als hätte er sein Lebtag dafür geübt. Hin und wieder schenkte man ihm einen verwunderten Blick, doch hier in der Touristenhochburg war man Absonderlichkeiten gewöhnt. Auch blaue Sonnenbrillen.
Felix fuhr weiter. Sein Fahrrad quietschte, doch er verschwendete keinen Gedanken an eine Reparatur. Er hatte ihn sich verdient, seinen Urlaub. Wen kümmerte da ein klappriges Fahrrad? Und überhaupt: Monochromatisch betrachtet waren die zahlreichen Rostflecken an Rahmen und Kette, an Lenker und Zahnrädern nur sonderbare Blüten blauer Merkwürdigkeit. Felix lachte erneut. Durch die Brille betrachtet wirkte die Welt in ihren Blauschattierungen noch fremder, noch neuer, noch vielseitiger als ohnehin schon. Wie angenehm es sein würde, in den nächsten Tagen, Wochen, durch die Straßen zu streifen und jedes noch so blaue Detail zu betrachten, neu zu entdecken. Blaue Menschen, blaue Häuser, blauer Sand.
Irgendwo erklangen Rufe. „Da ist er ja!“ Stimmen näherten sich. „Da, auf dem Damenrad!“
Felix sah sich um. Der Direktor!
Felix trat in die Pedale. Schneller, schneller! Sein klapperndes, quietschendes Rad raste durch die verschreckt beiseite springenden Menschengruppen. „Platz da!“ wollte er rufen, doch seinem Mund entsprangen nur unverständliche Laute. Die Sonnenbrille glitt von seinem unörmigen Schädel und zerbrach auf dem Asphalt. Felix schenkte ihr keine Beachtung. Die Welt war bunt, und Felix strampelte, als ginge es um sein Leben, trat in die Pedalen, brachte Meter für Meter zwischen sich und seine Verfolger.
Für einen Zirkusaffen war er ziemlich schnell.
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Die Geschichte ist gut geschrieben und ließt sich sehr flüssig. Nett auch, dass du es mal vorgelesen hast, aber ich bevorzuge doch meine eigene, imaginäre Stimme. 😀
REPLY:
Ich neige auch dazu, lieber selber lesen zu wollen. Deswegen wird die Vorleserei nicht zur Regelmäßigkeit werden. Aber zuweilen neige ich das, derlei ausprobieren zu wollen…