Heidi Klum ist schön.

Will man kleinen Kindern etwas von der Welt lehren, so bedient man sich einer einfachen Vergleichsmethode. Bilder von Gegenständen oder Tieren werden kombiniert mit deren Namen oder den Geräuschen, die sie produzieren, so daß im Schädel des Kindes Verknüpfungen hergestellt werden können. Mit ausreichender Wiederholung begreift das Kind schnell, wie das Wort „Hund“ aussieht oder daß eine Kuh „Muh“ macht. Nicht minder leicht wäre es allerdings, demselben Kind beizubringen, daß die Abbildung, die einen Hund darstellt, ein „Elefant“ ist und daß die Kuh „Miau“ zu machen pflegt. Solange Wirklichkeitsbetrachtungen oder Fremdmeinungen das Gelernte nicht in Frage stellen, lernt das Kind, ohne sich der ihm aufgetischten Lüge bewußt zu sein.

Wer glaubt, im Erwachsenenalter vor solcherlei Lügen geschützt zu sein, vergißt, was insbesondere in der Werbung alltäglich praktiziert wird: Manipulation. Ein weiteres, vielleicht besseres, Beispiel bietet aber das Fernsehen, genauer: die dort präsentierten Fakten und Nachrichten.

Wird beispielsweise Heidi Klum thematisiert, so darf natürlich ein Attribut wie „schön“ [oder ein Synonym dessen] nicht fehlen. Dem Fernsehzuschauer wird eine kindgerechte Karte vor die Augen gehalten: Heidi Klum – schön. Das eigene Gehirn baut die Verknüpfung auf, bevor man sich ihrer erwehren kann. Das fällt umso leichter, wenn Heidi Klum, die hier wirklich nicht mehr als ein Beispiel sein soll, auf mehreren Sendern, in mehreren Sendungen auftaucht, und jedesmal mit einem „schön“-Synonym bestückt wird.

Irgendwann begreift es auch der Letzte: Ah, Heid Klum ist schön.
Vielleicht stimmt dann der eigene Geschmack, das eigene Schönheitsempfinden, zu, vielleicht aber auch nicht.
‚Ich finde die gar nicht so schön.‘, sage ich mir, und bin geneigt der fernseheigenen Attributierung zu widersprechen. Doch ich schweige. Ich bin schließlich nur ich, und in meinem Kopf sind dank der kindgerechten Informationsfütterung „Heidi Klum – schön“ die entsprechenden Verknüpfungen längst vorhanden.

‚Heidi Klum IST schön.‘, weiß ich, selbst wenn ich anders empfinde. ‚Vielleicht nicht unbedingt in meinen Augen. Aber in den Augen der Allgemeinheit. Und die wird es schließlich wissen.‘

Vielleicht „weiß“ die Allgemeinheit tatsächlich, daß Heidi Klum schön ist. Vielleicht haben die zahlreichen gezückten „Heidi Klum – schön“-Karten tatsächlich Wirkung gezeigt und die Mehrheit von der Schönheit der Heidi Klum überzeugt. Vielleicht aber denkt ein jeder:
‚Ich finde die gar nicht so schön. Aber wenn alle die schön finden, dann wird da schon etwas dran sein.‘

Wir sind wie Kinder. Blind und dumm warten wir darauf, daß andere für uns Dinge beim Namen nennen. Und sei es auch der falsche.

10 Gedanken zu „Heidi Klum ist schön.“

  1. Wahrlich, es gibt schönere. Interessantere.
    Hässlich ist sie auch nicht.
    Aber wir lernen, wie Werbung und Wirtschaft funktioniert. Davon lebt Heidi ziemlich gut. Und Millionen kleiner Kinder wollen es nachmachen. Das ist die zweite Tragödie: Sehr viel Geld ohne Anstrengung mit (angeblicher) Schönheit machen, das wahre Ideal unserer Zeit, die Heidi.

  2. Ich las vor einiger Zeit in einer Studie, dass die Gesamtheit der Menschen vor allem eines schön findet: Durchschnittlichkeit, ohne Ecken und Kanten, die menschliche Barbie quasi.

    Ansonsten bin ich deiner Meinung. „Uninteressant“ wäre meines Erachtens eine ganz gute Bezeichnung für die Dame.

  3. REPLY:
    Was für eine Studie: Der durschnittliche Mensch findet den Durschnittsmenschen hübsch. Wer hätte das gedacht…

  4. REPLY:
    Man könnte vorsichtig-rotzig postulieren: Jede Gesellschaft kriegt das, was sie verdient.

  5. Vielleicht sollten wir ja mal die Kinder fragen, was sie schön finden.
    Die wissen noch nicht, was sie schön zu finden haben.
    Indem man ihnen etwa gleichzeitig Bilder von Heidi Klum und anderen ganz normalen Frauen zeigt und schaut, welchen sie sich zuwenden. Wäre interessant zu sehen, wen die attraktiver finden würden.
    Grüße von der Untoten

  6. Schönheitsideale ändern sich ja auch. In anderen Ländern wird Schönheit anders empfunden, zu anderen Zeiten wurde sie anders empfunden. Ist ja schon „Beweis“ genug, wie sehr das von der Gesellschaft und so was abhängt. Aber naja. Irgendwie find ich die Frau interessant. Warum auch immer. Aber nur weil es scheinbar als selbstverständlich gilt, dass diese Frau schön sei, darf man da ja trotzdem anderer Meinung sein. Ist ja nur gut so. Das eigene Empfinden trägt da wohl mehr Gewicht. Wobei es wohl eher zu Gelächter führen würde, würde jemand behaupten, sie sei hässlich.

  7. REPLY:
    Ich verurteile niemanden, der behauptet, sie interessant oder hübsch zu finden. Warum auch? Das wäre genaus os, als würde ich darauf beharren, sie unbedingt schön finden zu wollen und niemanden akzeptieren zu können, der anderes behauptet.

    Übrigens wollte ich gar nicht die Frage stellen, on Madame Klum tatsächlich häßlich ist wie ein gemeiner Knorxborzel, insbesondere da ich dem von den Medien aufgeprägte mit Überschminke und Photoshop korrigierte Heid-Klum-Bild sowieso nicht traue…

    Würde ich ausrufen, daß ich HK als häßlich erachte, würde man mich vermutlich wohl für schwul halten… Befremdlich.

  8. REPLY:
    Mmmh.. Da Kinder nicht wissen, was schön ist, würde ich es für ungut erachten, ihnen Urteilskraft diesbezüglich zuzuschreiben. Kinder handeln sowieso vorwiegend aus egoistischen Motiven; also nehmen sie dann die Frau, vond er sie glauben, daß sie am besten für sie zu sorgen imstande sei…

  9. REPLY:
    Naja, aber die Gesellschaft besteht auch nur aus einzelnen, die immerhin unterschiedliche Geschmäcker haben [sollten]…

  10. REPLY:
    Geld ohne Anstrengung zu erwerben – ist das nur ein Ideal der heutigen Tage oder eines einer ganzen Gesellschaftsform, basierend auf kapitalistischem Denken, in der Nutzen und Gewinn stetig erhöht werden müssen…?

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