In den Ästen

Ich war einer von denen. 

Treehugger, nannte man uns wohl, obwohl die deutsche Übersetzung reichlich falsch klang. „Baumumarmer“ hat zuviele Ums!, beschwerte ich mich manchmal: Ba-Um-Um-Armer. 

Und überhaupt: ich umarmte nicht. Nicht ausschließlich. Ich umbeinte auch. Und wenn ich konnte, umbauchte ich. Umkörperte! 

Und manchmal saß ich auf einem Baum und las. In einem Buch. Aus Papier. Und war mir der Absurdität bewusst: Toter Baum in meiner Hand. Lebendiger Baum um mich herum. 

Doch ich spürte die Verbindung, die Entbindung, löste mich von Ton und Be-Ton, gebar mich in raschelnde Stille und ungesagtes Wort.

Ich las. Fühle mich verflochten. Eins mit dem Baum um mich herum. 

Oder vielleicht sogar mehr als nur eins. 

Vielleicht zwei. 

Denn ich las ein Buch über Bäume. Über das geheime Leben der Bäume. Saß auf einem Ast und trank Geheimnisse.

Der eigentliche Baum ist unterirdisch, las ich, die Wurzeln sind das Gehirn. 

Ich versuchte zu folgen. Versuchte, mir das vorzustellen. Entsank dem Hier, dem Jetzt, tiefer in Welten aus Rinde, Stamm und Blättern. 

Fühlte mich umarmt von Ästen, umschlungen von Zweigen. 

Der Stamm des Baumes ist nicht der Baum, las ich, ist nur ein Teil von ihm. 

Ich nickte, streichelte die Äste unter, neben, über mir. War ebenfalls Teil. 

Der Baumstamm ist, las ich sodann, ein Ernährungsorgan.

Das ergibt Sinn, dachte ich noch und wollte weiterlesen, wollte tiefer in die Geheimnisse meiner Freunde eindringen. 

Doch ich vernahm ein Rascheln. Eines, das anders klang. Eichhörnchen, dachte ich, doch wusste, dass es kein Eichhörnchen war, wusste, wie ein Eichhörnchen klang. 

Die Zweige umschlangen mich fester. Das Rascheln gedieh.

Ein Specht?, hoffte ich, doch wusste es besser. Kein Specht dieser Welt klang derart … hungrig.

Ernährungsorgan!, verstand ich. 

Und die ganze Welt ward Baum.