Eines Tages begegnete ich einem Sonnenstrahl.
Es hatte den ganzen Morgen geregnet, doch nun, da mein Magen brummend die Mittagszeit verkündete, schwiegen die Himmelstropfen, und die Sonne lugte schüchtern aus dem wattigen Grau hervor. Einzelne Strahlen drängelten sich an wuchtigen Wolken vorbei gen Erde, und der Anblick war zu schön, zu wundervoll, um nicht innezuhalten und erwärmten Herzens nach oben zu schauen.
Ein einzelner Strahl ragte direkt zu mir herunter, als wolle er auch meine Haut mit Wärme belegen, als wolle er an meiner Nase kitzeln, Schabernack mit mir treiben.
„Hallo.“, sagte ich, dem Sonnenstrahl meine übliche Begrüßung sendend.
„Du bist überhaupt kein Strahl.“, ergänzte ich, ohne eine Antwort abzuwarten.
„Denn geometrisch betrachtet gehen Strahlen zwar immer von einem Anfangspunkt aus.“ Ich wies in Richtung der noch schüchternen Sonnenkugel. „Am anderen Ende jedoch gibt es kein Ende. Theoretisch setzen sich Strahlen in eine Richtung unendlich lange fort.“
Der Strahl schwieg. Ich ließ mich nicht beirren.
„Wenn du also beispielsweise auf meine Haut triffst, sie mit Sonnenwärme bedeckst, dann besitzt du einen Anfang und ein Ende – und bist somit eine Strecke.“
Der Strahl schwieg. Das konnte er offensichtlich ziemlich gut.
„Sobald du also auf mich triffst, bist du kein Strahl mehr.“, erklärte ich.
Der Strahl schwieg weiter, ignorierte mich und zog an mir vorbei in Richtung Unendlichkeit.