Eines Nachts begegnete ich dem Mond. Prachtvoll und schwer hing er am Himmel, strahlte über die Stadt, über mich, hinweg mit silberwarmem Glanz. Mein Herz war angefüllt mit seinem Licht.
„Hallo Mond!“, sagte ich. „Ich glaube, ich mag dich.“
Der Mond schwieg, zeigte stumm sein blasses, freundliches Gesicht.
„Weißt du, lieber Mond“, fuhr ich fort, „In Nächten wie diesen fühle ich mich dir nahe. Fühle ich mich, als könnte ich dich berühren. Als teilten wir ein Geheimnis.“
Der Mond schwieg weiterhin. Ich hingegen redete.
„Wenn ich ehrlich bin, lieber Mond, ist es ein bisschen, als ob…“
Der Mond schnaubte.
Verdutzt hielt ich inne.
„Hast du gerade geschnaubt?“, fragte ich.
„Ja, habe ich!“, rief der Mond. „Und ich werde es nochmal tun, wenn du weiterredest!“
„Ich bin der Mond. Die halbe Erde kann mich sehen. Und überall gibt es irgendwelche Menschen, die glauben, mit mir reden zu können, die glauben, mir nahe zu sein, die glauben, ich könnte ausgerechnet ihre Sehnsüchte und Träume verstehen. Hunderte, tausende Menschen.“
Ich glaube, wenn der Mond Arme besessen hätte, hätte er wild mit ihnen herumgefuchtelt. Er war wirklich sehr aufgebracht..
„Und die Tiere erst! Hunde, Wölfe, aber auch Meerschweinchen und Kolibris, Maulwürfe und Seepferdchen! Alle reden mit mir!“
„Und Pflanzen sowieso. Seealgen, Sonnenblumen, Magnolien, Moos. Alle reden mit mir!“
Ich war ein wenig eingeschüchtert, versuchte, mich kleiner zu machen, in mich hineinzuschrumpfen. Doch der Mond polterte weiter:
„Ich bin so viel größer als ihr alle, so viel schwer, gewaltiger, himmlischer! Wieso glaubst du, dass ich ausgerechnet zu dir spreche, Winzling?“
Ich räusperte mich. „Hast du nicht eben gerade auf meine Frage reagiert?“
„Nein, habe ich nicht nicht!“, rief der Mond und schmollte.