Und dann ist es Abend, später Abend, und meine Augen verweigern sich der Welt. Lider suchen das Unten, und jeder Gedanke kriecht bleiern durch den Schädel.
Dennoch ruft die Tat. Plötzlich, wissend, dass der Tag seinem Ende entgegenflieht, entspinge ich mir selbst, entraube mich dem kommendem Schlaf. So viel ist zu tun, so wenig ward geschafft. Plötzlich bewegen sich meine Hände, Finger wirken Linien, Tasten klappern, weil Buchstaben geschrieben sein möchten. Das Morgen lauert bereits hinter dem Dunkel, und – ach – so viele Vorbereitungen wären noch vonnöten, so viel Heute noch zu befüllen.
In emsiger Geschäftigkeit eile ich umher, verliere mich in Gleichzeitigkeit, erinnere mich, während ich vergesse, und handle, agiere, treibe voran. Alles sollte geschehen, jetzt, hier, bevor mir der Tag entronnen sein wird.
Irgendwann halte ich inne. Die Uhr droht mit rotem Leuchten, und Vernunft ruft mich zwischen Decke und Laken.
Doch noch immer stehe ich nicht still. Ich gedenke meines zukünftigen Ichs, dem Wesen, das morgen nach allzu kurzer Rast neu erstehen wird, gedenke seiner lächelnd und mit einer Spur von Mitleid und beschließe, ihm ein Geschenk zu machen. Ich werde ihm Minuten schenken, überlege ich, vielleicht nur Sekunden, eine Kleinigkeit, doch möglicherweise genug, um die ersten Schritte in das Kommende ihrer Schwere zu berauben.
Und schmunzelnd lege ich mir morgige Kleidung bereit, sortiere sie gar nach der Reihenfolge des Anlegens, wechsle in die Küche, wo ich dem immer näher rückenden Frühstück den Weg bereite, so dass dem morgigen Ich nur wenige Gesten genügen werden, um sich versorgt zu wissen.
Viel zu spät, doch noch immer mit dem Hauch eines Lächelns bestückt, bette ich mich schließlich nieder, schließe die Augen, die das Geschenk des Schlafes rasch und dankbar annehmen.
Der neue Tag beginnt mit lärmender Zeit. Meine Laune schläft noch, meine Sinne meiden jedes Licht. Erst als Heißwasser mich zu wecken beginnt, erwacht auch mein Lächeln. Heimlich danke ich dem vergangenen Ich und schlüpfe in die bereitgelegte Kleidung. Weiterer Dank entströmt mir, als nur wenige Handgriffe später das Frühstück meinen Mund findet und ich mit neuem Lebensgeist beseelt das neue Heute empfange.
Der Tag wird lang, und mein Haupt wird viel zu spät in die vertrauten Kissen sinken. Doch Morgen und Abend wird ein Lächeln vereinen, vom heutigen Ich an das morgige, vom gestrigen Ich an das heutige weitergereicht.
Und zwischendrin entdecke ich das Lied, das seit dem Erwachen in meinen Ohren tönt:
Dead Soul Tribe – „In A Garden Made Of Stones“