Begegnungen 26: Tube

Schlaftrunken griff ich nach der Zahncreme. Sie fühlte sich unangenehm leicht an, fast so, als wäre ihr Inhalt komplett aufgebraucht. „Zahncreme kaufen.“, schrieb ich auf meine geistige To-Do-Liste und ergänzte „To-Do-Liste schreiben“. Doch Zahncremtuben sind niemals wirklich leer, und mit ein bisschen Energie und Aufwand gelingt es stets, noch ein Quentchen des zähnereinigenden Materials herauszupressen. Und manchmal auch eine winzigkleine Fee.
Zusammen mit einem kärglichen Rest Zancreme ploppte sie aus der Tube, flog eine Runde um meinen Kopf und rief dann vergnügt: „Ich bin frei!“ Sie jubelte zwei oder drei Mal direkt neben meinem linken Ohr und meinte dann.
„Du hast mich befreit. Daher darfst du dir etwas wünschen.“
Noch immer etwas schlaftrunken nuschelte ich: „Ich brauche neue Zahncreme.“
Die winzigkleine Fee schaute mich verwundert an, zuckte mit den Schultern und sagte: „So sei es.“
Ein Blitz blendete mich, und als ich wieder sehen konnte, war die winzigkleine Fee verschwunden. Dafür lag eine jungfräuliche Tube Zahncreme auf dem Waschbeckenrand.
„Idiot!“, schimpfte ich in den Spiegel, als ich begriff, was ich gerade getan hatte. „Ich hätte mir Weltfrieden wünschenkönnen. Oder zumindest eine neue Kühlschranktür!“
Ich seufzte.
„Nun ja, was soll’s.“, sagte ich, nahm die Zahncreme in die Hand und entlockte ihr einen dicken weißen Streifen.
„Hey!“‚, rief ein Stimmchen aus der Tube. „Mir ist da ein Missgeschick passiert!“
Ich schmunzelte.