Mitten auf dem Gehweg fand ich ein altes Damenrad. Ich hatte Mitleid und richtete es auf.
„Danke.“, sagte das Fahrrad leise, als ich es an den Wegesrand schob.
Es quietschte unerträglich laut, und schmerzverzerrt verzog ich das Gesicht.
„Deswegen kann mich keiner leiden.“, seufzte das Damenrad. „Weil ich so schrecklich quietsche.“
Ich nickte.
„Du musst einfach nur mal richtig geschmiert werden.“, schlug ich vor. „Dann klingst du wieder wie neu.“
Das Damenrad schüttelte mit dem Lenker. Es quietschte.
„Ich möchte nicht geschmiert werden. Ich will damit nichts zu tun haben.“
„Wieso?“, fragte ich neugierig.
„Ich wurde schon einmal bestochen.“, erklärte das Rad traurig. „Und danach hatte ich zwei platte Reifen.“
„Oje.“,meinte ich und streichelte sanft über den Fahrradsattel.
Die Vorderlampe flackerte vergnügt auf.
„Das gefällt dir wohl?“, fragte ich, und streichelte das Fahrrad weiter. Am Rahmen, am Gepäckträger, am Lenker, an den Reifen. Dann an den Gelenken, an den Achsen, an der Fahrradkette. Und immer wieder, wenn ich mir sicher war, dass das Fahrrad nicht hinsah, träufelte ich bisschen Fahrradfett auf meine Streichelhand und verteilte es gleichmäßig an den nötigen Stellen.
Die Fahrradlampen leuchteten vor Vergnügen. Offensichtlich war das Damenrad lange nicht mehr gestreichelt worden.
„Ich muss jetzt weiter.“, sagte ich nach einer Weile. „War schön, dich kennengelernt zu haben.“
„Danke.“, sagte das Damenrad und rollte mir verabschiedend ein paar Meter hinterher. Dass es nicht länger quietschte, bemerkte es erst später.