Die Stuttgarter Rosenau vermochte mich schon zu begeistern, da wusste ich noch gar nicht, wo genau sie sich eigentlich befindet. Denn nicht nur war es mir möglich, problemlos und bequem über die Heimseite eine Karte für das Programm von Marc-Uwe Kling zu ordern, nein, es handelte sich auch noch um ein sogenanntes eTicket, also eine Eintrittskarte, die – ähnlich wie das OnlineTicket der Deutschen Bahn – zu Hause ausgedruckt werden konnte. Dass die Bezahlung dann auch noch per Paypal möglich war, setzte dem Ganzen hinsichtlich Zeitgemäßigkeit noch ein Krönchen auf.
Dabei war das, was die Rosenau von sich im Netz präsentierte, keineswegs der Moderne anheimgefallen, handelte es sich doch offensichtlich um eine gehobenere Lokaltität, in der man wohl gut zu speisen pflegt. Das angebotene Kulturprogramm erstreckte sich teilweise in Bereiche, die mit ergrauten Personen bevölkert sind. Doch war mir das geal: Ich hatte bereits bestellt, und mzudem ließ mich meine Neugierde herausfinden, dass die Rosenau anscheinend auch Heimat von Poetry Slams und Komikerauftritten war. Sehr schön.
Nach der Arbeit begab ich mich auf direktem Weg zur Bahn zur Haltestelle Schwabstraße. Bewegt man sich innerhalb Stuttgarts, so ist tatsächlich die Bahnerei, egal ob S oder U, empfehlenswert. Erstaunlicherweise liegt alles Besuchbare in der Nähe irgendeiner Haltestelle.
So auch die Rosenau. Und mit einer kleinen googleMaps-Recherche und einer daraus resultierenden Skizze in meinem Notizbuch dürfte der Findbarkeit nichts im Wege stehen. Dachte ich.
Will man jedoch einer der unterirdischen Haltestellen in Richtung Tageslicht entkommen, muss man feststellen, dass sich zumeist diverse Optionen bieten. Ich geriet also an eine Verzweigung, und weil ich nicht wusste, welcher Weg der richtige sei, wählte ich irgendeinen. Die Treppe hinter mir lassend befand ich mich nun an der Rotebühlstraße. So weit so gut, dachte ich und versuchte herauszufinden, in welche Richtung ich zu gehen hatte. Den Namen der nächsten Querstraße herauszufinden reduzierte die Auswahl immerhin auf zwei Alternativen. In Pfadfindermanier suchte ich die Sonne. Irgendwo hinter den Gebäuden musste sie sein. Dort, wo es am hellsten war. Ich lief in die entgegengesetzte Richtung.
Eine Eigenart von Haltestellen in Stuttgart scheint es zu sein, Umgebungspläne zu bieten. So ist zumeist noch die nächste Haltestelle eingezeichnet, zusammen mit einer angenehmen Anzahl von Straßennamen. Nachdem ich mich einmal entschieden hatte, wohin ich gehen wollte, war es daher dennoch schön, die Bestätigung durch eine passiert werdende Bsushaltestelle zu bekommen.
Während die fehlende Ästhetik im Ubahnbereich mich zu hochgezogenen Augenbrauen veranlasst hatte, gefiel mir das Viertel recht gut. Kannte ich schon jemanden, der hier wohnte? Ich wusste es nicht. Immerhin fand ich die Heilsarmee, die mich darüber grübeln ließ, ob das WOrt „Armee“ jemals positiv behaftet sein kann. Dann stieß ich auf eine Galerie, die wohl in Begriff war, eine Vernissage zu veranstalten, und ich fühlte mich gleich heimisch.
Am Eingang zur Rosenau wäre ich beinahe vorbeigelaufen. Und selbst als ich ihn nutzte, war es der falsche. Meine Frage wurde freundlich beantwortet. Ich ging wieder ins Freie, einen Eingang weiter in einen Innenhof hinein und war am Ziel. Mein eTicket wurde nicht wie erwartet gescannt, sondern nur mit einer ausgdruckten Liste verglichen und anschließend einbehalten. Ein echtes Ticket als Ersatz gab es nicht.
Der Raum war prall gefüllt mit Tischen, Stühlen und Menschen. Obwohl ich eigentlich recht pünktlich war – zumindest nach meiner Auffassung von Pünktlichkeit – schien es kaum möglich zu sein, noch einen Sitzplatz zu ergattern. Vor den bereits besetzten beziehungsweise durch Jacken und Hinweisende freigehaltenen Plätzen häuften sich nicht nur gefüllte Getränkebehälter, sondern auch durchaus lecker anzusehende Speisen. Anscheinend war es nicht unüblich, vor einer Veranstaltung ein wenig Nahrhaftes zu sich zu nehmen.
In der Mitte des Raumes entdeckte ich ein paar freie Stühle. Das kann doch nicht sein, dachte ich, und misstrauisch fragte ich nach. Besetzt, erfuhr ich, für die Presse. Dass die Presse die besten Plätze zugeteilt bekam, erschien mir logisch und ärgerte mich zugleich. Schließlich hatte _ich_ ja bezahlt…
In der hintersten Ecke des Raumes, links von der Bar, gewahrte ich noch ein paar freie Plätze. Nun ja, dachte ich, und fragte auch hier. Tasächlich: Insgesamt drei Plätze standen noch zur Verfügung, und als dann auch noch ein Pärchen eintraf und ebenso wie ich nachfragte, wählte ich den einzeln gelegenen Platz, der sich fast direkt in der Ecke des Raumes befand. Als ich jedoch dann saß, war ich erstaunt: Die Sicht war fantastisch. Derart besänftigt bestellte ich mir eine große Cola und zeichnete einen Fred-Comic, während ich auf den Beginn der Show wartete.
Die Gtränkepreise waren akzeptabel, das Publikum war sehr gemischt. Zwar entdeckte ich diverse Begraute und Gefärbte, aber in Anbretracht des Auftretenden natürlich auch eine Menge Jüngere. An der Wand hingen Poster für zukünftige Veranstaltungen, und ich war erfreut, sowohl Olaf Schubert als auch Rainald Grebe unter ihnen zu finden. Eine Wiederkehr meinerseits war also wahrscheinlich.
Links neben der Bühne hing ein riesiges Gemälde, das aussah wie eine Kinderkrakelei, rechts von ihr befanden sich die Toiletten, die nicht unbedingt umfangreich waren, aber ansonsten keiner Erwähnung bedürfen, egal ob postitiv oder negativ. Ebenso wie übrigens der Rest des Raumes, der zwar angenehm hell war, ansonsten nichts Spektakuläres an sich hatte.
Marc-Uwe Kling wurde angekündigt von demjenigen, der den Rosenau-Newsletter schrieb. Wobei er nicht wirklich angekündigt wurde; vielmehr gab es einen Ausblick auf Kommendes und das Drängen, doch bitte den erwähnten Newsletter zu abonnieren. Was ich natürlich nicht tun würde.
Dann kam Marc-Uwe und mit erschien ein vergnügtes Grinsen auf meinem Gesicht. Denn Marc-Uwe Kling vermag es irgendwie, Humor leise sein zu lassen, ohne leise zu bleiben, kritisch zu wirken, ohne mit Kritik zu nerven. Und das alles auf amüsanteste Art. Hilfreich dabei waren nicht nur die diversen auf Gitarre zusammengeschrammelten, auf dem Klavier dargebotenen Eigenkompositionen, sondern auch die Geschichten über das kommunistische Känguruh, seinen Beuteltiermitbewohner, das früher beim Vietcong gewesen war.
Wenn man von dem einen Mädel neben mir absah, das bei jedem einzelnen Witz Bestätigung suchend den Blick ihres Freundes suchte und mich dabei ebenso nervte wie der Typ, der offensichtlich Herrn Kling noch aus Schulzeiten kannte und schon vor der Veranstaltung Erstaunen darüber geäußert hatte, dass er gar nicht wusste, dass Herr Kling so kreativ sei… – wenn man also von den beiden absah, war das Publikum gut. Es lachte an den richtigen Stellen, machte mit, wo es sollte, war nicht weniger begeistert als ich.
Dementsprechend viel zu früh kam die Pause. Der Kellner kassierte meine Cola, und ich zeichnete den Comic zuende. Es war erstaunlich, wieviele Anwesende das Bedürfnis hatten, ihre Lungen zu befüllen.
Der zweite Teil und die obligatorischen Zugaben waren dem ersten mindestens ebenbürtig, und als alles sein Ende gefunden hatte, und ich mich zum Gehen erhob, stellte ich fest, dass es auch üblich zu sein schien, nach einer Veranstaltung noch ein wenig zu verweilen. Ich jedoch wollte heim, trug ein Amüsanz wie ein inneres Leuchten mit mir herum, vertraute mich den Bahnen an und beschloss, die Rosenau bald wieder zu beehren.