Zuweilen zeichne ich.
Dieser Satz stellt eine Untertreibung dar, doch zeigt gleichzeitig, was ich neben dem Zeichnen noch ganu gut leiden kann: Wörter. Wie schön ist es doch, zwei Wörter mit dem letzten Buchstaben des Alphabets beginnen zu lassen und nebeneinander zu stellen. Wie schön ist es doch, wenn eines der beiden Wörter, nämlich „zuweilen“ nur noch selten Anwendung findet, ja, wenn ich zuweilen [Hihi.] mit einem verwunderten Lächeln bestückt werde, wenn ich mich solch anscheinend archaischer Ausdrucksweise bediene.
Der nächster logische Schritt ist ein leichter: Weil ich Wörter mag, mag ich auch Bücher. Dieser einfache kausale Zusammenhang lässt sich natürlich auch für die Gegenrichtung verifizieren: Weil ich Bücher mag, mag ich Wörter, und vermutlich fand ich erst durch die Lektüre unzähliger geschriebener Werke zu dem Interesse, mit dem ich heute Büchern gegenübertrete. Ich lese viel, sehr viel, und obgleich ich nicht selten in Richtung fantastischer Romane ausschweife und auch vor Science Fiction nicht halt mache, bin ich auch an „normaler“ Belletristik interessiert. Ich liebe es, Bücher geschenkt zu bekommen oder käuflich zu erwerben – selbst wenn meine Geldbörse davon abrät. Ich liebe Bibliotheken, und es geschah schon häufiger, dass man mich in einem gemülichen Lesesessel einer städtischen Bücherei fand, wo ich, gefesselt von dessen Inhalt, einen ganzen Roman durchlas, obgleich ich ihn auch hätte leihen können.
Die Bibliothek stellt jedoch nur selten eine finanzschonende Alternative dar. Denn wenn Bücher mich zu überzeugen wissen, wenn sie mich in Sprache aufgehen lassen, dann wird es schwer, mich davon abzuhalten, dieses ergreifende Werk für mich selbst zu erwerben und so nicht nur die heimische Regalbefüllung zu verstärken, sondern die Option zu bieten, das, was mich so beeindruckte, jederzeit und immer wieder genießen zu können.
Meine Regale sind daher unter anderem auch angefüllt mit Werken, die ich im Überschwang erwarb und heute mit kritischem Auge betrachte, obwohl ich weiß, dass sie mich einst bewegten. Und nicht selten geschieht es, dass es nur der richtigen Stimmung bedarf, des richtigen Augenblicks, und ich finde den Weg zu dem, was ich über Monate hinweg gemieden hatte, erinnere mich und schaffe zugleich neue Erinnerungen, lese und begreife ein zweites, drittes, viertes Mal, warum es gut ist, dieses Buch zu besitzen und immer wieder zu genießen.
Ich verschwendete niemals viele Gedanken daran, warum ich dieses oder jenes Buch mag. Sicherlich, wenn mich jemand gefragt hätte, wären mir Gründe eingefallen, zunächst wenige, vage, dann mehr und mehr, auch präzisere, und schließlich hätte der Fragende sich eine ganze Flut begeisterter Worte über sich ergehen lassen müssen. Hin und wieder begann ich von selbst damit zu schwärmen, einen notwendigerweise geduldigen Zuhörer mit Details zu belasten, die kaum oder gar nicht zu fesseln und die – unglücklicherweise – kaum mehr zu transportieren vermochten, als dass ich begeistert war, warum auch immer.
Selbst heute, nachdem ich begriffen habe, dass ich, wenn mich etwas fesselt, stets zu viele Worte verliere und häufig genug den eigentlichen Kern aus den Augen verliere, neige ich dazu, mich der Freude, etwas derart Wunderbares gefunden zu haben, hinzugeben und sie mit anderen teilen zu wollen – wortreich und unpräzise zugleich.
Dabei ist es gar nicht so schwer, zumindest einen Grund anzugeben, warum mich ein Buch beeindruckt. Und nicht nur das: Dieser eine Grund dient zugleich als Berechtigung für die Vorlieben, die ich andere Medien, seien es Musik oder Filme, entgegenbringe.
Um mich kurz zu fassen: Ein Buch ist gut, wenn es mich inspiriert.
Dabei bedeutet Inspiration nicht zwangsläufig, dass mir nach der Lektüre des Werkes zahlreiche Ideen im Schädel umherwirbeln. Nein, es reicht, wenn ich nach dem Lesen eines Buches den Wunsch verspüre, selbst zu schreiben, ähnliche oder andere Worte aus meinem Inneren heraufzubefördern und etwas zu schaffen, das nicht weniger großartig ist als das, was ich gerade genoss. Ich möchte angetrieben werden, möchte nach der Lektüre aufstehen und Dinge vollbringen wollen, möchte aus der niedergeschriebenen Welt auftauchen und spüren, dass sie ihre Spuren in mir hinterließ, Spuren, die mich zu Weiterem, Eigenem bewegen.
Natürlich ist das nicht das einzige Kriterium, und es gibt sicherlich unzählige Werke, die nicht auf die erwähnte Weise inspirierten – und dennoch phänomenal sind. Dennoch: Häufig genug fühle ich mich inspiriert und kann gar nicht anders, als das Buch zu lieben. Und nicht nur das Buch. Zuweilen gelingt es sogar Filmen, mich als erneuerten Mensch zurückzulassen, als jemanden, der voranschreiten, der seine eigene Kreativität ausleben und dieses Gefühl niemals verlieren möchte.
Musik ist häufig bewegend, doch nur selten gelingt es Klängen, tatsächlich inspirierend zu sein, meine kreative Ader zu treffen. Umso mehr liebe ich jedes Werk, das mir derart nahe geht.
Und ein weiteres Medium vermag mich zu bewegen und hat es zugleich schwer: Comics. Ich kann es nicht abstreiten, Comics zu mögen und nur zu gerne in den bildreicheren Abteilungen der Buchhandlungen und in Comicläden zu stöbern. Doch selbst wenn ich Gefallen an vielen Geschichten und Figuren finden kann, selbst wenn mir Zeichenstile zusagen und mich grafische Mittel beeindrucken – nur selten findet sich unter der Masse an Comics ein Werk, das mich tatsächlich inspiriert.
Ich zeichne gerne, und ein Comic, der mich bewegt, muss in mir den Wunsch erwecken aufzuspringen und sofort loszuzeichnen, mich stetig zu verbessern, Neues auszuprobieren, fremde Wege zu gehen und mit Begeisterung mehr und mehr zu schaffen. Ich muss das Gefühl vermittelt bekommen, dass ich mit diesem Comicheft, mit diesem Comicbuch, imstande bin, mich weiterzuentwickeln, mich selbst voranzutreiben, das, was ich ohnehin kann und zeichne, zu perfektionieren und auszuweiten.
Und tatsächlich erlebte ich dergleichen vor wenigen Tagen – und das, obwohl ich erst begonnen habe, das Buch zu lesen. Denn ich hatte das Glück, zu Ostern das Werk „Comics machen“ von Scott McCloud geschenkt zu bekommen. Und auch wenn ich normalerweise Comic-Zeichenkursen äußerst skeptisch gegenüberstehe, vermochte es dieses Werk, mich nicht nur zu fesseln, sondern auch, mich bei jeder Lesepause mit dem Gefühl zurückzulassen, zeichnen zu können, zeichnen zu müssen, viel, mehr, besser, immer besser. Ich liebe dieses Gefühl, und leicht fällt es mir, Scott McClouds Werk für wahrlich gut zu befinden und weiterzuempfehlen.
Zuweilen zeichne ich. Und zuweilen werde ich inspiriert, mit Begeisterung beseelt, und nur zu gern lasse ich mich auf dieser kreative Woge treiben, und sei es nur, um zu erfahren, wohin sie mich trägt…
Vollkommene zustimmung. Es gibt sogar ein kapitel über webcomics.
habe es gerade durchgelesen, auf englisch allerdings. wirklich sehr sehr gut.
REPLY:
So weit bin ich noch nicht; macht aber nichts, freue mich drauf.
[Ob nun Englisch oder Deutsch dürfte keine große Rolle spielen…]