Sitzen Beifahrende neben mir, während ich Lenkrad und anderes Gerät bediene, äußere ich, sobald ich einer Parklücke gewahr werde, die zu befüllen ich bezwecke, stets denselben Satz in ihre Richtung: „Ich hasse Einparken!“
Wenngleich Haß nicht unbedingt exakt dem Gefühl entspricht, das ich mit dem Versuch assoziiere, ein Fahrzeug an einen dafür vorgesehenen, oft räumlich beschränkten, Stellplatz zu manövrieren, so ist doch der Kern der Aussage ein wahrer: Mir mißfällt es, zentimetergenau einschätzen zu müssen, wie die äußeren Maße des derzeit benutzten Gefährtes beschaffen sind und ob eine soundsoviel Grad umfassende Lenkrad-Kurbelei bei gleichzeitigem Minimalgasgeben mich in die optimale Position für Konterkurbelei, Richtungswechsel und schlußendlich erfolgreich absolvierten Einparkvorgang bringen wird.
Wenn ich jedoch in abendlichen Stunden nach erfülltem Tagewerk heimkehre, bleibt mir seltenst anderes übrig, als meine Abneigung zu überwinden und zu versuchen, mein Gefährt in eine einigermaßen legale Parkposition zu schaufeln. Kein leichtes Unterfangen, da Lücken rar gesät sind und mit Minimalgrößen wenig vertrauenserweckend wirken. Und so drehe ich immer wieder meine Runden, bis ich eines Platzes gewahr werde, der das Auto über Nacht beheimaten könnte. Grimmig blicke ich dann auf die keineswegs üppigen Platzverhältnisse, versuche die hinter mir drängelnden Frontscheinwerfer zu ignorieren und kurble, so gut ich vermag.
Sicherlich, einst, in Fahrschulzeiten, lernte ich, ab welchem Zeitpunkt ich wie zu lenken habe und verinnerlichte es derart, daß ich zuweilen glaubte, richtiges Parken fühlen zu können. Damals bestand ich die entsprechende Prüfung beim ersten Versuch, obgleich meine Parkunsicherheit sichtbares Erbleichen hervorgerufen haben mußte. Vielleicht erbleiche ich heutzutage immer noch, sehe ich mich mit engsten Platzverhältnissen konfrontiert. Vielleicht vernehme ich das höhnische Gekicher des fehlenden Raumes, bilde mir das kritische Beäugen potentieller Passanten ein, glaube von den nebenanstehenden Glanzlackfahrzeugen mit angstvollen Großaugen gemustert zu werden. Vielleicht.
Doch zuweilen beginne ich gerade zu formulieren, habe eben das übliche „Ich hasse Einparken!“ über die Lippen gebracht, da stecke ich auch schon inmitten der Lücke, die sich nach dem Aussteigen als wesentlich enger erweist als vermutet, schmunzle stolz in mich hinein und glaube, es endlich gelernt, verinnerlicht zu haben. Aber schon beim nächsten Versuch wird mir bewiesen werden, wie wenig ich tatsächlich verinnerlicht habe, wird sich zeigen, wie begründet mein parklückenbedingtes Erbleichen ist.
Autos erwiesen sich in der Vergangenheit ohnehin als erstaunliche Unsympathen. VIel zu viel Arbeit fordern sie, zu viel in sie hineingestopftes Geld, zu viel Kümmern, zu viel Sorge. Jedoch ein autofahrereigenes Unbill, das morgendliche Grimmgesichter zu gebären imstande ist, berührt mich wenig: Mich stört es nicht, winterliches Eis von den Scheiben wegzukratzen. Ich rege mich nicht auf, wenn ich Plastikschaber zücken und mit permanenten Armbewegungen Sichtbefreiungsmaßnahmen vollziehen muß, sondern freue mich über jeden Streifen, den die Eisschicht zurückweicht. Einzig und allein das anschließende Losfahren mit dem Beschlagen der Scheiben und dem Warten auf die scheibenbefreiende Heizlüftung mißfällt mir.
Unlängst schmunzelte ich beim Anblick meines Gefährts, hatte ich doch noch am Vortag überlegt, ob es gerechtfertigs sei, die Frontscheibe mit billiger Abdeckfolie vor nächtlicher Vereisung zu schützen und mich – dem Beispiel der anderen folgend – fälschlicherweise dagegen entschieden. Und auch wenn ich keine Handschuhe trug und somit frierschmerzende Fingerkuppen zu befürchten hatte, zückte ich nun wohlgelaunt den Kratzer. Sobald ich jedoch angesetzt hatte, näherte sich ein Fahrzeug, das einparkbereit in unmittelbarer Nähe hielt. Eine junge Dame blickte mich fordernd an, und als ich entschuldigend lächelte und auf den Eiskratzer zeigte, lächelte auch sie. Mir waren einst Geschichten zugetragen worden, in denen in einer ähnliches Situation die junge Dame ausgestiegen wäre und mir helfend beiseite gestanden hätte; doch dergleichen geschah natürlich nicht. Ich kratzte, doch konnte das Drängen der Wartenden in meinem Rücken spüren. Schnell, schnell, hier noch ein wenig, dort noch ein bißchen. Zugleich hielt ich mich zurück. Niemand durfte es wagen, mich derart zur Eile anzustacheln – selbst wenn ich mir die Anstachelei nur einbildete. Außerdem mag ich es, sehen zu können – und befreie daher gerne Scheibengroßteile von Eis und Schnee, bevor ich in die Ferne düse.
Also kratzte ich – allein -, schnell und langsam zugleich, parkte rasch aus und fuhr los. Die Scheiben beschlugen, und ich sah nichts. Ich verdammte die umweltaktivisten, die mir einst eingeschärft hatten, während der Eisentfernung den Motor nicht laufen zu lassen und tastete mich im Schneckentempo zur nächsten Kreuzung voran. Nahezu blind stand ich dort und starrte vergnügt auf die vorbeihuschenden Schemen. „Mach schon.“, herrschte ich das Warmgebläse an und schaute ungeduldig zu, wie sich die Line zwischen beschlagenem und nicht beschlagenem Scheibenteil allmählich nach oben bewegte. Ich dankte der Kreuzung, die mich zum Warten zwang, dankte dem Verkehr, der mich hier stehen ließ, dankte dem Lüfter, als die Scheibe endlich frei war und ich sehend zur Arbeit fahren konnte.
Jedoch geschieht es nicht selten, daß ich noch nicht einmal im Auto sitze, wenn sich ein Einparkwilliger nähert und die gleich freiwerdende Parkposition für sich beansprucht. „Dies ist mein Claim!“, ruft der Autofahrer allen Mitbewerbern zu, stellt sich schrotflintenartig drohend in den Weg und harrt ungeduldig der wenigen Sekunden, die ich benötige um auszuparken [Denn das beherrsche ich erstaunlicherweise recht gut.]. Jeder Augenblick, den ich zögere, scheint in ihren Augen Ewigkeiten zu währen, und ich fühle mich, als würden die grimmig nach unten gezogenen, vor Ungeduld zuckenden Mundwinkel auf mich einpeitschen: „Los! Los! Los!“
Ich fahre, beachte nur den gleich Einparkenden, beachte nur die vor und hinter mir stehenden Autos, beachte nicht den Gegenverkehr auf der viel zu engen Straße, in den ich beinahe hineingeraten wäre. Ein Hupen folgt. Verdammte aufgezwungene, eingebildete Hektik!
Unlängst wanderte ich zu meinem Automobil – und in Anbetracht der schlechten Freiparkplatzsituation entspricht der Weg zum Gefährt oftmals einer kleinen Wanderung-, als ich Schreckliches entdecken mußte: Man hatte mich eingeparkt! Dergleichen war mir noch nie geschehen; fassungslos betrachtete ich die verbliebenen Lücken zu Vorder- und Hinterwagen und schatzte die Chancen ab, dort unbeschadet herauszukommen. Nullkommavier Prozent. Höchstens.
Ich erwog, zurückzugehen, im Internet nach Anbindungen mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu suchen und selbige zu nutzen. Doch wertvolle Zeit ginge dabei drauf, ebenso wie ein Teil meines Egos, der mit einer solchen Schmach nicht zu leben wünschte. Also schaute ich zunächst nach, ob bei Vorder- und Hintermann die Handbremse gezogen war. Vordermann: ja. Hintermann. Nein. Ich schob, stemmte mein gesamtes Gewicht gegen das fremde Auto, doch nichts rührte sich. Mist.
Aus dem benachbarten Hauseingang trat eine Frau. „Gehört eines der Autos Ihnen?“, frate ich höflich, verzweifelt auf mein eigenes, eingeklemmtes Auto deutend .“Oder wissen sie, wem eines der Autos gehört?“ Die Frau schüttelte mit dem kpf. Ich hatte nichts anderes erwartet. Wenn ich schon meilenweit zu meinem Parkplatz zu laufen hatte, brauchte ich nicht erwarten, daß andere neben ihrem Hauseingang zu parken imstande waren.
Ein Student schlenderte vorbei, jedenfalls hielt ich ihn für einen. „Hallo!“, rief ich auf die andere Straßenseite „Könntest du mir mal kurz helfen?“ Ich erklärte meine Situation, zeigte auf den ungebremsten Hinterwagen. Wir schoben. Mit vereinten Kräften. Erfolglos.
„Ist vermutlich ein Gang eigelegt.“, meinte der Student. Ich nickte. Ja, Vermutlich.
„Das einzige, was ich dir nach anbieten kann, ist, dich beim Ausparken einzuweisen.“
„In Ordnung.“, antworte ich, obgleich ich zweifelte, daß das klappen würde. Schließlich waren vorne etwa zehn und hinten etwa sechs Zentimeter Platz zwischen den beiden kontrahierenden Stoßstangen.
Er wies mich ein. ich kurbelte, gab vorsichtig Gas, kurbelte wieder. Die ersten zwei Male stieß ich an. Einmal vorne. Einmal hinten. Mit nahezu Nullgeschwindigkeit. Dann hatte ich den Dreh raus. Auch der Student hatte schnell gelernt, zeigte mir mit seinen Handflächen, wieviel Platz noch zwischen mir und meinen Einparkern jeweils verblieb. Und allmählich schälte ich mich aus meiner blechernen Hülle heraus.
Als ich wußte, daß meiner Befreiung nichts mehr im Wege stehen würde, bedankte ich mich erleichtert und fuhr los. Dankbar. Und wütend zugleich.
„Ich hasse es.“, grummelte ich. Und meinte diesmal nicht das Einparken.
Jetzt weiß ich, warum hier jemand Deine Texte vermißte.
Sehr schön!
REPLY:
Merci…
ähnlich unter Druck gesetzt fühlt man sich, wenn in einer 70 Zone wirklich 70 fährt und jemand einem beinahe auf dem Heck sitzt Oo Letztenendes drückt der Fuß dann doch etwas mehr das Gas…obgleich man sich permanent sagt, dass man sich nicht unter Druck setzen will. An der Ampel/Kreuzung ähnliche Szenarien, wobei dort – sofern das Auto noch nicht warm genug ist – es schonmal passiert, dass man die Kupplung nicht langsam genug loslässt und mitten auf der Straße abwürgt -.- Das man dann noch hektischer wird steht außer Frage