Ich berichtete ja bereits über die verwelkenden Pflanzen vor unserer Haustür. Erstaunlich ist, daß immer noch welche von ihnen leben. Nun ja, „welche“ ist vielleicht übertrieben; schließlich ergeben die kläglich dahinexistierenden pflanzenähnlichen Gebilde zusammen vielleicht gerade mal ein echtes Exemplar. Aber sie leben. Zumindest fast.
Es muß allerdings erwähnt werden, daß unsere Hausnummer mehrere Eingänge und somit auch mehrere Vorbeete umfaßt. Die anderen Beete hatten aber nicht das zweifelhafte Glück, mit dahinsiechenden Pflanzen, an denen noch immer die Preisschilder hängen, bestückt zu werden. In vorhandener, aber nicht bemerkbarer Regelmäßigkeit [alle viereinhalb Monate oder so] werden diese Beete durch den Hausmeister von Unkraut befreit und dann liebevoll geharkt.
Daß zehn Minuten später sowohl Hunde als auch deren Besitzer, uanchtsame Kinder und desinteressierte Jugendliche sämtliche Harkbemühungen zerstört haben werden, ist absehbar, aber für den Hausmeister ohne Belang. Er hat schließlich sein Werk vollbracht.
Immer wenn ich bemerke, daß mal wieder geharkt wurde, rauscht ein winziger Quell der Vorfreude in mir, hoffe ich doch darauf, daß nun endlich glückliches gedeihendes Blattwerk oder zumindest saftiger Rasen den Hausvorbereich verschönern wird. Doch spätestens wenn Hundebesitzer, Kinder und Jugendliche ihr unachtsames Stampfwerk verrichtet und die Sonne die hervorgeharkte feuchte Erde ausgetrocknet hat, gebe ich jede grün sprießende Hoffnung auf.
Gestern warf ich mal wieder einen Blick auf die Vorbeete. Lange hatte die Hausmeisterharke keinen Dienst mehr verrichet und mein Augenmerk auf die karg-graue Erde gerichtet. Doch gestern bemerkte ich Leben. Auf dem trockenen Grund gedieh Gras.
Sicher, es war durchsetzt mit Unkraut und hätte niemals einen Schönheitspreis gewonnen. Doch es wohnte mehr Leben in ihm, als ich zu glauben bereit war.
Hatte der Hausmeister oder gar der Vermieter es tatschlich geschafft, die Beete mit Grün zu beseelen, Pflanzen, wenn auch kümmerliche, wachsen zu lassen?
Besimmt nicht. Auf keinen Fall.
Sicherlich hatte der Wind ein paar Grassamen herübergeweht und dafür gesorgt, daß die widerspenstigsten, anspruchlosesten Keime in der trockenen, ungenutzten Erde verharrten und wuchsen. Das Ergebnis war ein grüner Teppich – allerdings nur, wenn man unter Teppich ein mottenzerfressenes, staubiges Loch-an-Loch-Gebilde verstand, das nur durch spärliche Stoffreste zusammengehalten wird.
Doch gerade diese Spärlichkeit, die überschaubare Zahl an Grasbüscheln ließ mich aufmerken. Obgleich in bebauter Innenstadt verweilend hätte Mutter Natur doch sicherlich nicht solch lumpiges Werk verrichtet, sondern ein Beet geschaffen, in dem Gras und Unkraut nur so wimmeln und das niemals die Bezeichnung „Rasen“ verdient hätte.
Die Spärlichkeit des Grüns war so offensichtlich, drängte sich so sehr auf, daß sie nie und nimmer ein Zufallsprodukt sein konnte. Bedachte ich des Hausmeisters bisheriges Vorbeetbepflanzungsgeschick, so war das, was ich gedanklich als mißglücktes Rasenimitat bezeichnete, eindeutig und mit Gewißheit das Ergebnis absichtlicher Saat.
Es war beabsichtigt worden, die leere Fläche mit Gras zu begrünen, und das Resultat bildete das Rasenäquivalent zu den eher sterbenden als lebenden Pflanzen auf dem anderen Beet: Ein löchrig-grüner Teppich auf ödgrauem Grund.
Ich überlegte kurz und stellte fest, daß es wohl kaum etwas Einfachereres geben kann, als eine unordentliche Grasfläche zu erwirken – und daß dem Hausmeister auch dies mißlungen war.
Grinsend gratulierte ich ihm in Gedanken und lief über das Vorbeet.