Obgleich ich mich zumeist dagegen verwehre, in modischen Belangen kontaktiert zu werden, kann ich mich an dieser Stelle eines Kommentars nicht erwehren, betreffend den allgemeinen Hose-In-Stiefel-Trend, der vermutlich kein solcher mehr ist.
Als ich erstmals einer in hohe Stiefel gesteckten Hose ansichtig wurde, gedachte ich diverser Bilder russischer, zahnloser Kittelschürzenomas, die auf ihrem zerfallenden Bauernhof umherstiefelnderweise eben jene „Mode“ praktizierten. Erst der zweite Gedanke begab sich in Richtung der 80er Jahre, denen dieser fabulöser Kreativ-Gedanke wohl entwichen sein mag.
Mir war es egal. Sollte doch die modebewußte Umwelt sich mit Hosen-Stiefel-Tragevorschriften herumplagen und Gedanken darüber verschwenden, wie denn bestmöglichst die unschönen, aus dem Steifelansatz herausragenden Hosenknitterfalten zu vermeiden seien. Meine Blicke störten sich auh nicht an mit Bommeln besetztem Hochschuhwerk, deren flauschige Anhängsel jeden Schritt mit fröhlichem Hin- und Hergebammel zelebrierten.
Ich wurde erst stutzig, als ich plüschbestzter Wuschelpuschelstiefel gewahr wurde – vorwiegend in augenkrebserregenden Rosa-Tönen. Herbst und Winter standen nämlich meines Erachtens nicht in dem Ruf, witterungsbedinge Sauberkeit zu verbreiten, sondern eher mit Feuchtigkeit und Dreck reichlich um sich zu werfen. Plüschschuhe stellten für mich die Verkörperung kleidungstechnischer Sinnlosigkeit dar, würde sich doch das Matschwetter grinsend die eiskalten Hände reiben und jene Fußverhüller zu Primärzielen ausersehen.
Und tatsächlich: Die wenigen Plüschstifel, denen ich noch begegne, lassen ihren ursprünglichen Farbton vermissen. Vermutlich entdeckten die Käufer dieser Produkte irgendwann, daß diese nicht weniger unpraktisch waren als jene albernen Jacken aus unnachgiebig-steifem Skispringerstoff waren, deren Unästhetik im vorigen Jahr herumging.
Jedoch die allgemeine Hose-in-Stiefel-Modeerscheinung hält an. Wo bleibt der nächste Schritt?, frage ich mich und überlege, ob ich selbst den Anfang machen sollte. Schließlich sprang dieser Trend noch nicht auf die maskuline Kundenschaft über, obgleich es nicht sonderlich schwer sein dürfte, Unsinnigkeiten auch auf das männliche Geschlecht auszubreiten. Doch selbst den Anfang zu machen, hieße, meine wenig winterliche, schwarze Hose in meine nicht minder schwarzen Springerstiefel stopfen zu müssen. Und abgesehen davon, daß mein Mantel sicherlich einen Teil des optischen Gesamteindrucks verbergen würde, glaube ich doch nicht, daß mit meinem dadurch entstehenden Fascho-EBM-Aussehen der Verbreitung des Hose-In-Stiefel-Trends geholfen wäre.
Ich ließ also davon ab und mußte bis zum heutigen Tage warten, um endlich einem maskulinen Hose-In-Stiefel-Stopfer begegnen zu können. Ich sah ihn zunächst nur aus der Ferne, in einem Hauseingang verschwindend. Sein Haar war kurz und tdunkel, und seine Gesichtszüge ließen keinen zweifel ob seines Geschlechts zu. Und doch trug er weiße Stiefel, in die seine graue Hose hineingesteckt worden war.
Ja!, jubelte ich innerlich. Der erste Schritt ist getan! Nachahmer, wo bleibt ihr? Natürlich sah es schwuchtelig aus, seine Hose in weiße Stiefel zu stecken. Aber das war kein Grund, es nicht auch einmal zu versuchen, oder?
Andererseits war mein Blick auf diesen vermeintlichen Trendsetter nur von kurzer Dauer gewesen, zu kurz, um wirkliche Sicherheit bezüglich seines Schuhwerks erhalten haben zu können. Ich wartete also. Sein Auto stand mit offenen Türen vor dem Eingang, und es war gewiß, daß mein bereits zum Helden emporgehobener Stiefelträger alsbald wieder ins Freie treten würde.
Nur wenige Augenblicke vergingen, da tauchte er schon wieder auf. Mein Blick glitt in Richtung seiner Füße – und ich schmunzelte. Im Geiste verwahrte ich alle schon bereitgestellten Modepokale und Trendsetterurkunden wieder in unzugänglichen Schubladen, bevor ich weiterlief.
Ich hatte mich geirrt. Das Schuhwerk des jungen Mannes bestand eigentlich nur aus winzigen Badeschlappen. Allerdings trug er wolkenweiße Strümpfe, schön weit nach oben gezerrt. Und zu allem Überfluß hatte er noch seine Jogginghose in die Socken hineingestopft. Der Anblick war kein schöner, das gebe ich zu.
Allerdings glaube ich nicht, daß der Begegnung mit dem ersten männlichen Hose-In-Stiefel-Stopfer, besser: Hose-In-Weiße-Stiefel-Stopfer, ein größeres Ausmaß an begeisternswerter Ästhetik innegewohnt hätte…
[Im Hintergrund: Tristania – „Ashes“]