Wahlkampfslogansuperlativ

Nachdem mir der CDU-Wahlkampfslogan „Besser für die Menschen“ schön öfter ein Dorn im Auge gewesen war, bemerkte ich heute einen ähnlichen: „Besser für unser Land.“ und muß das – auch wenn das Thema Politik/Wahlkampf/sinnlosePlakate sicherlich alle Lesenden [und vermutlich auch mich selbst] allmählich zu nerven beginnt – noch einmal kurz ausbreiten:

„Besser für die Menschen.“ hört sich schrecklich an, fast so, als wären andere gemeint, nicht wir, nicht die in diesem Land Lebenden, sondern jene dort, dort drüben, jene, die sich – vermutlich im Gegensatz zu uns [zu mir] – „Menschen“ nennen dürfen.
Kurz: Ich fühle mich nicht angesprochen, lese ich diese Worte.

Diesen Umstand hat man mit „Besser für unser Land.“ zu korrigieren versucht, doch eignet sich der Spruch in Kombination mit der riesigen Deutschlandflagge im Plakathintergrund durchaus auch als Slogan für politisch rechtslastig orientierte Parteien.
Die CDU wird somit ersetzbar, insbesondere weil mit „Besser für..“ keinerlei Botschaft vermittelt wird.
Denn die Frage, die sich mir immer wieder stellt, lautet: Besser? Besser als wer? Als die SPD? Als menschenfressende Mars-Ungeheuer mit messerscharfen Dornenklauen und tödlichem Giftgeifer? Das mag durchaus sein…

Überhaupt mißfällt mir der Komparativ: ‚Wir sind nicht nur gut; wir sind besser.
Sicherlich werden dadurch alle übertrumpft, die von sich behaupten, „gut“, „richtig gut“ oder gar „unglaublich gut“ zu sein, ist doch die Steigerungsform dazu geeignet, sich selbst vom gesamten gewöhnlich-guten Rest abzuheben und zu verlautbaren, daß man selbst, die eigene Partei – im Vergleich mit nicht erwähnten anderen – etwas Besonderes darstellen will.

Doch man vernachlässigte beim Plakatentwurf einen wichtigen Fakt: Es gibt noch eine zusätzliche Steigerungsform, den Superlativ [mit betontem E].
Wenn also die CDU „besser“ ist, wer ist dann „am besten“? Hat sich die CDU nicht getraut zu behaupten, sie seien die Besten? Waren sie tatsächlich bei der Fomulierung des Wahlkampfslogans der schüchternen Ansicht, daß es welche gibt, die besser sind als sie, die besser als „besser“ sind?
Will die CDU uns gar damit sagen, daß eine andere Partei, vielleicht gar die SPD, sie mit Leichtigkeit überflügeln könnte?

Und mir fällt noch ein weiterer Trumpf ein:
Latinisiert man „am besten“, so erhält man „optimal“. Das hört sich noch beeindruckender an als „am besten“, so daß also, sollte die SPD irgendwann entscheiden, den CDU-Slogan „Besser für …“ mit „Am besten für…“ zu kontern, irgendwer die Frechheit besitzen könnte, zu behaupten, er oder seine Partei sei „Optimal für…“
Das haut rein und läßt selbst das „am besten“ lächerlich aussehen. Und der „Besser für“-Slogan der CDU wirkt dagegen wie Kinderkacke.

Doch das ist noch längst nicht alles, was geht. Denn schlechtes Deutsch gelangt allmählich in alle sprachlichen Bereich und sollte keineswegs vor Wahlplakataufschriften haltmachen.
Wenn mich also eine beliebige Partei XYZ anspräche, ich möge doch – selbstverständlich gegen entsprechend umfangreiche Bezahlung – mir einen genialen, ja ultimativen, Slogan ausdenken, mit dem man deutlich, ja überdeutlich, signalisisieren könnte, daß alle anderen Parteien null und nichtig, wertlos und abgedroschen, unnütz und albern seien, dann zückte ich kurz meinen Stift und krakelte siegesgewiß grinsend auf ein beliebiges Stückchen Papier folgende Worte:

„XYZ – Am optimalsten.“

[Im Kopf: Agathodaimon – „Chapter III“]

Ein herzlicher Gruß

Dem entweichenden Sommer sende ich ein sachtes Lächeln hinterher, grüße ihn, den Verblassenden, sanft ein letztes Mal – wie einen liebgewonnenen Freund, von dem man weiß, daß er eines Tages wiederkehren und einen warmen Hauch der Freude mit sich bringen wird. Aus den Augenwinkeln beobachte ich verstohlen, wie dem Sommer eine silberne Träne die Wange hinunterrinnt, sich zu einem letzten Regenschauer formt, als wolle er den Herbst begrüßen, der verstohlen, fast heimlich, doch mit forschen Schritten, ohne Zögern, näherrückt, mit seinen warmen Farben die Welt zu verzaubern. Mein Lächeln gilt auch ihm, heißt ihn willkommen in seinem Reich, mischt sich mit den kühleren Winden, die aufziehen und mein Antlitz umranken, die in meinen wehenden Haaren ergebene Spielgefährten finden.

Blicke ich zurück, so vermisse ich den Sommer, vermisse mich in diesem Sommer, sehe mich nur wenige Male die erquickende Feuchtigkeit von Tümpeln und Seen genießen, sehe mich nicht in die Fremde, die Ferne ziehen, dorthin, wohin es alle verschlug, die für einen Augenblick dem Hier und jetzt entkommen wollten. Ich sehe mich die Zeit vertrödeln, als wüchse sie direkt neben meinem Fenster, sehe mich lächelnden Herzens Träumen hinterherschweben, die sanft, doch unaufhaltsam, meinen Blicken entgleiten.

Doch der Herbst bringt Neues, Unbekanntes, das auf mich wartet, ja lauert, wie ein altes, träges Tier, dessen scharfe Klauen und Zähne bedrohlich wirken sollen, doch – längst abgewetzt – keine Gefahr mehr darstellen. Das alte Tier lädt ein zum Tanz, will Spielgefährte sein, mir Wege zeigen, die ich noch nicht kenne. „Hab keine Angst.“, flüstert es in meine Sinne, obgleich es weiß, daß ich meine Angst ein Eigenleben führt, mir nicht gehorchen will.

Ich sehe welke Blätter von den Bäumen gleiten, laufe durch den zarten Regen, der erst langsam erwachen, wachsen, muß, dem es noch an Kälte, Stärke, Düsternis fehlt, um den kalten Bruder Winter einleiten zu können. Ich begrüße den Nebel, der sich wattig über Wege legt, als spielte er Verstecken mit meinen Gedanken, als müßte ich erraten, was sich unsichtbar in seinem Inneren verbirgt. Ich weiß es nicht und renne lachend durch die Schwaden, entdecke stachelgrüne Kastanien zu meinen Füßen und befreie die wohlig braune Frucht, lasse sie durch meine Finger gleiten, so glatt und rein, fast vollkommen.

Von einer schmalen Brücke lasse ich sie fallen, lausche dem verschluckenden Plumps der träge dahingleitenden Fluten, sehe sie in des Flüsses dunklem Grün verschwinden. Am Geländer hängen Tropfen wie Perlen, aufgereiht, nebeneinander glitzernd, lockend. Mit ausgestrecktem Finger pflücke ich sie, einzeln, spüre die feuchten Kostbarkeiten meine Hand hinabrinnen, zerreibe das Naß zwischen den Fingern.

Und als ich heimzukehren gedenke, senkt sich Dunkelheit über die Stadt, rasch und unbemerkt, läßt Laternen aufleuchten und vereinzelte Schritte in Hauseingängen verschwinden. Ich schlendere den Pfad entlang, rieche den feuchten Atem des Herbstes und heiße ihn willkommen wie einen lang vermißten Freund.

[Im Kopf: Opeth – „Ghost Reveries“]

Ein Tag voller Augenblicke

Obgleich das V. Internationale Kunstfestival mich nicht wirklich zu überzeugen vermochte und mal wieder mit der Feststellung zurückließ, mich nicht fähig zu fühlen, eine klare Trennung zwischen Kunst und Nicht-Kunst vornehmen zu können, glaubte ich doch nicht, die drei Euro vergebens ausgegeben zu haben. Schuld trug nicht nur die Begegnung mit Freunden meiner Begleiterin, sondern insbesondere ein Film über die vielfältigen Möglichkeiten urbaner Kunst, der zeigte, mich welch simplen oder weniger simplen Mitteln es gelingt, eine Stadt zu beleben, Kultur zu schaffen, wo vorher Ödland und Leerstand vorherrschten.

Im Gepäck das wohlige Gefühl, den Tag mit erstaunlichem Vorankommen meiner Lernbemühungen zusätzlich befüllt zu haben, in den Fingern das Kribbeln erwartunsgfreudiger Kreativität verspürend, bedurfte es nur noch eines Gesprächs mit einem guten Freund, um mein Lächeln zu perfektionieren.

Durch das Halbdunkel der Nacht raste ich, den lauen Wind auf meinem Leib genießend, traf schon zehn Minuten vor dem vereinbarten Zeitpunkt dort ein, wo zu treffen wir uns gedacht hatten, plazierte mich auf den Stufen einer Bankfiliale und beobachtete diejenigen, die in stiller Sucht nach Vergnügen und Begleitung schhwatzend und lachend durch die abendlich geleerten Gassen Magdeburgs zogen.

G traf ein, und im „Kuca“, im Kulturcafé, fanden wir nicht nur einen mir bisher unbekannten, aber sehr angenehmen, gemütlichen Ort zum Verweilen, Trinken und – das war mir am heutigen Abend besonders wichtig – Speisen, sondern auch eine Lokation, die mit kulturellen Annehmlichkeiten in nicht allzu ferner Zukunft zu locken wußte.

Wir speisten gut und reichlich und wußten einander mit Gedanken und Geschichten zu unterhalten. Die Rechnung begleichend stellte ich fest, noch nicht willens zu sein, die Heimfahrt anzutreten und beschloß, die unlängst wieder errichtete Sternbrücke eines gemeinsamen Ausflugs zu würdigen.

Nur wenige Minuten später, nach einer kurzen Fahrt durch das feucht-diesige Dunkel, erreichten wir die Brücke und die Gewißheit, daß sich Fotos, nicht zuetzt aufgrund des diffusen, von zahllosen Nieselregentröpfchen gebrochenen Lichts, an dieser Stelle lohnen würden. G quittierte diese Feststellung mit einem Lächeln und seinem nahezu fabrikneuen Mobilfunkgerät, dessen Ablichtfunktion tatsächlich höherwertig zu sein schien, obgleich meine eigene Kamera dadurch keineswegs ersetzbar wird.

Die Heimreise, die wir nun, da der Nieselregen nicht innezuhalten gedachte und ein zunehmendes Frösteln unsere Leiber überzog, auf klammen Sätteln antraten, barg die Trennung und die Sicherheit des baldigen Wiedersehens in sich und mündete in eine Halbextase, als ich mit von auf meinen Brillenträgern niedergesetzten Regenschleiern halbblind durch den düsteren Park raste, hoffend, trotzdem jeglichen Hindernissen aus dem Wege fahren zu können.

Ich genoß den Geruch des aufkommenden Herbstes, die kühle Feuchtigkeit der Luft, die sich um mein Antlitz legte, genoß es, die fortschleichende Wärme, das Weichen des Sommers zu betrauern. In Gedanken stahl ich mich zu meiner Mitbewohnerin, die sich in wenigen Stunden auf die Reise in die Sonne begeben und mit geschlossenen Augen wohlige Wärme auf bräunender Haut verspüren würde.

Und zugleich lachte ich innerlich, als ich durch die kühlen Nieselnebelschwaden zischte, den Geruch der Bäume, des Regens inhalierte und wohligen Bewußtseins war, mich ausgeglichen, mich wohl zu fühlen, jetzt, hier, in diesem kostbaren Augenblick.