Sie und ich

Vielleicht ist diese Beziehung eine befremdliche, eine unmögliche. Vielleicht sind aber Beziehungen stets das Gegenteil von einfach, stets verworren, für Außenstehende nicht nachvollziehbar. Vielleicht.

Ich versuche mir darüber klar zu werden, wer ich bin, was ich will, was ich empfinde, ja auch, was sie empfindet. Die Antwort auf die letzte Frage ist vielleicht die schwerste. Vielleicht auch die einfachste, bedenkt man, daß ich nach mehr als zwei Jahren noch immer nicht imstande zu sein scheine, Antworten zu finden, mir Antworten zu geben, mir selbst zuzugeben, was ist.

Dabei kann es nicht allzu schwierig sein, das Gegenwärtige auszudrücken. Ich liebe sie. Sie liebt mich nicht. Vermutlich. Ich weiß es nicht, will es mir nicht eingestehen.

Und damit beginnt die Misere. ‚Vielleicht…‘ denke ich, immer wieder, und hoffe.
„Die Hoffnung ist mein Untergang.“, schrieb ich einst und glaube es noch immer. Hoffnung birgt Trost, doch auch Unmengen von Schmerz.

Ich versuche, mich zu verstehen, zu erfassen, was ich fühle.

Manchmal zweifle ich an mir, an meiner Liebe zu ihr. Dann wieder scheint alles klar, einfach, gesichert: Ich liebe sie, tiefer und inniger denn je. Zuweilen bedarf es nur eines Blickes, eines Wortes, und ich weiß, was ich empfinde, fange mich selbst mit meiner Liebe, sperre mich in einen Käfig aus Unerreichbarkeit.

Unerreichbarkeit? Ja, Unerreichbarkeit. Denn ich kann sie nicht erreichen. Sie weiß, weiß um meine Gefühle, um meine Liebe, kann sie nicht ignorieren – und schafft es doch. Ich weiß nicht, ob es ihr schmerzt. Wenn ja, tut es mir leid, ist es doch nicht mein Wunsch, ihr Schmerz zuzufügen. Wort für Wort, Blick für Blick, reihe ich aneinander, doch erreiche sie nicht.

‚Vielleicht ja doch.‘, denke ich und hoffe schon wieder.

Unerreichbarkeit gilt aber auch in umgekehrtem Sinne. Ich will nicht erreicht werden, unsichtbar sein, nur für sie existieren. Sicherlich, das ist dumm und weltfremd. Zuweilen unterbreche ich mich, um zu leben. Doch immer wieder flüchte ich aus dem Dasein und suhle mich in meiner Liebe, die Schmerz und Trost heißt, die Sehnsucht und Verzweiflung birgt.

Ja, ich liebe sie. Es ist einfach, das zu denken, zu schreiben. Doch ich kann es ihr nicht sagen. Ich will nicht ihre Tränen sehen, nicht ihre Verzweiflung. Und erst recht will ich nichts von der Unmöglichkeit hören, will ich nicht meine Hoffnungen begraben wissen.

Denn ich weiß, daß da etwas ist. Vielleicht ist es keine Liebe, doch ist es mehr als nur schlichte Freundschaft, mehr als nur ein Einanderkennen und -mögen. Und ich kralle mich an den Gedanken, daß dieses „mehr“ vielleicht wachsen wird, vielleicht zurückkehren kann zu der Liebe, die es einst hätte sein sollen.

Die Beziehung hat vor mehr als zwei Jahren ihr Ende gefunden. Ist beendet worden. Von ihr. Nach nur drei Monaten.

Vielleicht, wahrscheinlich, hatten wir einander nur zu einem falschen Zeitpunkt gefunden. Vielleicht, wahrscheinlich, waren äußere Faktoren nicht unschuldig an der Trennung. Vielleicht lebten wir auch ein Mißverständnis. Vielleicht.

Ich glaube, daß es vorbei ist, was immer es genau war, was immer uns damals auseinanderzerrte [Denn mit Sicherheit gab es keinen präzise zu beziffernden, einzelnen Punkt, der alle Schuld auf sich laden konnte.]. Ich glaube, daß es jetzt funktionieren würde. Mit uns. Noch einmal. Doch dieses Mal „mehr“. „Richtig“. Länger.

Und an diesem Glauben, an dieser Hoffnung halte ich fest. Vielleicht warte ich tatsächlich auf sie. Vielleicht.
Warum auch nicht? Sie ist es wert. Dessen bin, war ich mir stets sicher.

Doch ich erreiche sie nicht. Sie sieht mit nicht, will mich nicht sehen, stöbert durch die Welt und findet. Vielleicht nicht das, was sie sucht, doch Trost, Halt, Wärme, Nähe, das Gefühl, zuweilen geliebt zu werden, ausreichenden Ersatz für mich. Ich weiß noch nicht einmal, ob sie jemals mit den Gedanken spielte zurückzukehren, weiß nicht, was sie wirklich für mich empfindet, weiß nicht, ob sie jenes „mehr“ auch verspürt oder einfach nur Freundin zu sein glaubt, einfach nur jemand, der mich kennt, schätzt und versteht.

Sie versteht mich. Vielleicht ist es das. Nur drei Monate waren ausreichend, um mich geborgen, verstanden zu fühlen wie noch nie, um zu wissen, daß sie vielleicht die Ewigkeit für mich bedeuten konnte, daß sie mich vielleicht mehr begriff, als ich es je könnte.

Die Frage, die bleibt, ist die, was sie empfindet, was sie von mir hält. Es ist immer das gleiche Spiel: Was denkt sie? Was geht in ihrem kopf, ihrem Herzen vor? Was bedeute ich ihr? Was sieht sie in mir?

Und diese Fragen sind wichtig, bergen sie doch die Antwort auf alles weitere. Wenn ich ihr nichts geben könnte, wenn ich sie nur ausnutzte, aussaugte, ihr kein Leuchten, keinen Gewinn brächte, würde sie mich wohl meiden, würde sie sich niemals derart in meine Nähe begeben, wie sie es noch immer tut.

Ich bedeute ihr etwas. Doch was? Warum betrübt es sie, wenn ich sie „vergessen“, vernachlässigt zu haben scheine? Warum betrübt es sie, als wäre meine Liebe die Basis unserer Beziehung, unserer „Freundschaft“? Geht sie davon aus, daß meine Liebe ewig verweilen wird, auf sie wartet, sonnt sie sich im Glanz meiner Gefühle? Genießt sie vielleicht mein Sehnen und denkt hin und wieder daran zurückzukehren, Träume zu erfüllen, die unerfüllbar zu sein scheinen?

Doch warum kommt sie dann nicht zurück? Warum weilt sie dann in der Ferne, in fremden Armen, die ihr – trotz allem – nicht ausreichen, nicht all das geben können, was sie ersehnt?

Kann ich es? Vielleicht. Ich weiß es nicht. Wie könnte ich?

Doch tatsächlich bin ich mir ziemlich sicher. Ich weiß, was ich anders, besser, machen würde, könnte, daß Eigenschaften in mir wohnen, die sie ersehnt. Ich weiß, daß ich sie liebe, daß ich es ihr mit jedem Lidschlag, mit jedem Atemzug, zeigen würde.

Zwei Jahre sind eine lange Zeit. Sie hätte längst zurückkommen können, sollen. Warum tat sie es nicht? Warum? Sinkt nicht mit jedem vergehenden Tag die Wahrscheinlichkeit, daß sie zurückkehrt? Ich weiß es nicht. Ich weiß es mal wieder nicht.

Warum sollte sie nicht – ebenso wie ich zu Kurzschlußhandlungen neigend – eines Tages spontan feststellen, daß ab nun ich, nur ich, der Richtige, der Einzige, ihre wahre Liebe, sei? Warum nicht? Die Welt ist wirr und albern.

Vielleicht sollte ich mich „bessern“. Bodenständiger werden. Nur abhängig von mir selber, mich stärken, Willen und Körper. Voranschreiten, eigene Wege schaffen. Vielleicht sollte ich in meinem Leben weitergehen, aufsteigen und der Welt zeigen, daß ich es schaffe, daß ich es kann, daß ich bin, was ich bin, daß ich mag, wie ich bin, meinen Unsicherheiten begegnend, mich meinen Ängsten stellend. Vielleicht.

Vielleicht wäre ich dann attraktiver, anziehender, nicht mehr der kleine Junge, dessen einziger Sinn im Leben die Liebe zu sein scheint. Vielleicht wäre ich dann weniger anhänglich, weniger sehnend. Vielleicht.

Vielleicht wäre ich mir dann aber fremd, ein anderer, vielleicht auch ihr fremd, noch ferner. Wer weiß.

Vielleicht sollte ich mich lösen. Vielleicht hätte ich mich längst lösen sollen. Ich versuchte es. Durchaus. Damals war es zu früh. Heute wäre ich dazu bereit. Glaube ich.

Kann man zwei Menschen lieben? Ja, durchaus. Ich bin mir sicher.

Die Situation ist also nicht ausweglos. Nur unendlich verworren.

Ich wüßte nicht, was ich ohne sie täte. Allein der Gedanke, sie irgendwann nicht mehr sehen, nicht mehr mit ihr reden zu können, schmerzt. Ich verdränge ihn, vergesse ihn. Warum soll ich mir Schmerz aufbürden, der nicht zu vergehen vermag?

Ist meine Liebe zu ihr vergänglich? Ich weiß es nicht. Vielleicht. Bisher verging sie nicht. Ich will es nicht wissen. Erst recht vermag ich nicht zu vergleichen. Liebe ich sie mehr/weniger als „damals“? Ich weiß es nicht.

Kann man, kann ich, zwei Menschen lieben? Könnte ich einem Wesen in meinem Herz so viel Platz schaffen, daß ich nicht ständig sehnsüchtig ihr hinterhersehne, die mich längst verließ? Vielleicht. Wahrscheinlich. Ja.

Und was wäre dann mit ihr? Wie empfände sie? Freute sie sich? Weil ich endlich aufhörte, sie mit meiner Liebe zu belasten? Freute sie sich für mich, weil ich es endlich „geschafft“ zu haben scheine? Letzteres ist wahrscheinlich.
Wäre sie betrübt, weil ich nun für sie verloren wäre, weil nun nicht länger all meine Liebe ihr gelten würde? Vielleicht.

Die Schwierigkeit meiner Situation liegt nicht in ihrer Unklärbarkeit, sondern in ihrere Stagnation. In freien Augenblicken denke ich nach, sinniere, stürze mich in Hoffnung, in Licht und Leid. Ich vermag keine Antworten zu finden. Vermutlich wüßte auch sie keine.

Und so verbleibt mir nichts weiter, als Schritt für Schritt der Zukunft entgegenzuschlendern, als hielte sie Gutes bereit, als klärte sich mein Fühlen, meine Liebe, in künftigen Tagen, als wäre die Liebe in mir nicht vergebens.

Feuerwerk

Ich finde, Feuerwerk wird total überschätzt. Sicherlich gab es Zeiten, in denen auch ich staunend in den Himmel starrte und jede Rakete bewunderte. Doch jetzt kann mich Silvesterfeuerwerk kaum noch entzücken, muß schon besonders toll oder besonders schlicht sein, um mir ein begeistertes Lächeln zu entlocken.

Unangenehm empfinde ich allerdings, daß in den letzten Jahren das Feuerwerk zu einem Ramschartikel zu verkommen zu sein scheint, weil jede größere Veranstaltung, die etwas auf sich hält, mit einem solchen beginnt oder endet [oder beides]. Und mit zunehmender Häufigkeit der pfeifenden und knallenden Nachthimmelerheller sinkt auch mein Interesse für sie, meine Euphorie für die Lichterfunken über mir.

‚Jaja, ein Feuerwerk.‘, denke ich mir und sehe demonstrativ weg, nach unten.

Vor einer Weile verließ ich eine sogeannte Beachparty an der Elbe, fuhr nach Hause. Kaum hatte ich mich – von Musik und Menschen wenig erfreut – vom Gelände entfernt, begann ein kleines, aber zehnminütiges Feuerwerk. Tatsächlich muß ich gestehen, daß es einige schöne Elemente enthielt. Doch das Feuerwerk in seiner Gesamtheit störte mich eher, als daß es mich erfreute.

Warum? Ich weiß auch nicht. Mich störte, daß der DJ im Anschluß zu gegenseitigen Umarmungen aufforderte, als sei das Feuerwerk etwas Harmonisches, Verbindendes. Das war es nicht; schließlich war es laut und grell. Mich störte, daß die Partybevölkerung ausgelassen applaudierte, als hätten sich die Veranstalter etwas Besonderes ausgedacht. Das hatten sie nicht, sah ich doch in den letzten Monaten mehr als drei Feuerwerke ähnlicher oder besserer Art.

Und noch ein Gedanke störte mich: Wir als Eintrittskartenkaufende hatten dieses wenig spektakuläre und in meinen Augen überflüssige [Denn wozu braucht eine Open-Air-Tanzveranstaltung ein Feuerwerk?] Feuerwerk mitbezahlt.

„Nein, das waren die Sponsoren.“, ertönt eine kritische Stimme aus dem Publikum. Ich gebe ihr recht. Doch hätten die Sponsorengelder nicht anders eingesetzt werden können? Beispielsweise, um Eintritts- oder Getränkepreise zu verringern? Die kritische Stimme schweigt.

Es ist ähnlich der supertollen Gewinnspiele, die überall angepriesen werden.
‚O toll!‘, soll man denken, ‚Bei dieser genialen Firma kann ich fantastische Preise gewinnen. Die sind so gut zu mir.‘
Doch das sind sie nicht. Eine Firma arbeitet natürlich, um Gewinn zu machen. Dementsprechend müssen auch die Ausgaben für die fantastischen Preise irgendwie gedeckt werden. Wer bezahlt also die fantastischen Hauptgewinne? Der Kunde, der die Produkte der Firma kauft, natürlich. Also der potentielle Gewinnspielteilnehmer. Also derjenige, der sich über die Möglichkeit, fantastische Preise zu gewinnen freut. Bescheuertes System. Doch es funktioniert.

Aber ich schweife ab. Ich glaube, der Reiz des Feuerwerks würde zumindest ansatzweise zurückkehren, würde ich nicht ständig damit „erfreut“ werden, würde also das Feuerwerk die Aura des „Besonderen“ bewahren können. Menschen schätzen erstaunlicherweise Dinge, die selten sind, mehr als überall Anzutreffendes. Vielleicht klappt das ja auch hier.

Wenn nicht, ist mir vielleicht der handelsübliche Sinn für Romantik abhanden gekommen, ohne daß ich es bemerkte…